Jazz
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Scott Hamilton Quartet: Danish Ballads ... & More. CD / LP Stunt Records STUCD 18192 / STULP 18101 (in-akustik)
Er versuche, jeden Abend etwas Neues und Originelles zu machen, sagte Scott Hamilton einmal, um damit jeden Verdacht des Eklektizismus zu entkräften. Schließlich wurde der 1954 geborene Tenorsaxophonist schon oft als Wiedergänger von Coleman Hawkins, Ben Webster und Lester Young in Personalunion bezeichnet. Was allerdings nicht negativ gemeint war, sondern sozusagen als dreifaches Kompliment. Auf diesem jüngsten Album treibt Hamilton die Entwicklung eines kraftvollen, gleichermaßen weichen persönlichen Tons weiter voran. Könnte man aus Tönen einen Smoothie herstellen – das Ergebnis dürfte ungefähr so klingen wie die „Danish Ballads“. Die Quartet-Musiker mischen sanft swingende, klar akzentuierte Melodien in perfekt austariertem Zusammenspiel: ein Hörerlebnis, das einfach für gute Laune sorgt. (Für die Jury: Rainer Nolden)
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Stephan-Max Wirth: Live Experience. 25 years SMWE – the legendary live recordings of the 2010s. Stephan-Max Wirth, Jaap Berends, Bub Boelens, Florian Hoefnagels. 4 CDs, Bos.Rec 239-19 (Galileo)
Seit mehr als einem Vierteljahrhundert ist der Berliner Saxophonist und Komponist Stephan-Max Wirth mit seiner Band schon aktiv. Die jetzt zum fünfundzwanzigjährigen Jubiläum veröffentlichte Live-Box mit 21 Stücken auf 4 CDs bündelt kaleidoskopartig die stilistische Vielfalt des zeitgenössischen Jazz: Ob in gewagten Post-Bob-Konzepten, Jazzrock-Exkursionen, Free Jazz-Anleihen oder sehnsüchtigen Balladen von oft sanglicher Qualität – Wirth demonstriert mit den Musikern seines deutsch-holländischen Quartetts schwerelose Virtuosität, kombiniert mit einem unbestechlichen Sound-Gespür. (Für die Jury: Peter Kemper)
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Hard & Heavy |
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Sacred Reich: Awakening. CD / LP, Metal Blade Records 03984156622 / 03984251231 (Sony)
„Neue Besen kehren gut“, weiß der Volksmund. Im Thrash Metal scheint das nicht zu gelten. Denn nach Exhorder mit „Mourn the Southern Skies“ hauen Sacred Reich uns nun schon als zweite Veteranen-Combo binnen kurzem einen Hammerschlag von Album um die Ohren. „Awakening“ ruft uns unsanft die Gründe in Erinnerung, warum wir dieser Spielart des Metal ursprünglich verfallen waren: rasiermesserscharfe Riffs, unbändige Energie, enthusiasmierende Hooks! Diese liefern Sacred Reich im typischen Soundgewand aus Slayer-Ungestüm, Punk-Attitude und mitreißendem Groove. Was Titel wie das harsche „Divide & Conquer“, das flinke „Revolution“ oder das gloriose „Something To Believe“ zu Thrash-Hymnen erhebt, das sind die überlegenen Songwriting-Skills von Phil Rind und seinen Mannen. So kann der Arizona-Vierer 2019 gar an Heldentaten wie „The American Way“ anknüpfen. Surf’s up! (Für die Jury: Felix Mescoli)
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Blues |
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Coco Montoya: Coming In Hot. Alligator Records ALCD 4994 (in-akustik)
Mit diesem Album, produziert von Tom Braunagel, bringt Coco Montoya die Sache auf den Punkt: Seine Verbundenheit mit dem klassischen Blues, aber auch die hohe Kunst, daraus immer wieder neue Spielformen zu entwickeln, durch das Hinzufügen genrefremder Elemente. Man spürt die Verehrung für seinen Mentor Albert Collins, man bewundert die Kraft, sich einen eigenen persönlichen Stil zu erschaffen, die blendende Technik, kombiniert mit intensiver Spielfreude. Mit „Coming In Hot“ hat der Blues-Gitarrist mit der souligen Stimme den passenden Titel für ein herausragendes Album gefunden. (Für die Jury: Karl Leitner)
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Liedermacher |
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Rainald Grebe & Die Kapelle der Versöhnung: Albanien. CD / 2 LPs, Versöhnungsrecords 00953 / 00954 (Broken Silence)
Rainald Grebe bleibt seiner realistisch-absurden Vinyl-Topographie verbunden. Den längst zu schrägen Evergreens gewachsenen Thüringen-, Frechen- oder Brandenburg-Hymnen fügte der Sänger, Kabarettist, Theatermann jüngst die Platte „Albanien“ hinzu. Siebzehn Stücke, im titelgebenden Lied heißt es, unter anderem: „Ich kenn mich nicht mehr aus, es ist so wenig klar … Alle sprechen Englisch, überall H&M, überall nur Flughafenmenschen. Aber in Albanien, Albanien, in Albanien ist alles beim Alten.“ Die rücklings liegende Schildkröte auf dem Frontcover zeigt, exemplarisch für Zustände in deutschen Landen wie auf dem Restglobus: Es geht ein Riss durch die Zeit. Versöhnlich hierbei, den innovativen Grebe wieder im tadellosen Einklang zu hören mit dessen bewährt vogelwilder „Kapelle der Versöhnung“. (Für die Jury: Jochen Arlt)
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Folk und Singer/Songwriter |
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Lata Donga: Variācijas. CPL Music CPL032 (Broken Silence)
Folk aus Lettland bekommt man nicht alle Tage zu hören. Doch Lata Donga haben das Zeug dazu, Musikfreunde aus aller Welt zu überzeugen. Herz und Seele der Band ist eine Familie, in der die lettische Folktradition seit drei Generationen hochgehalten wird. Ausgerüstet mit Kokle-Zithern, orientalischer Percussion und den schönsten Stimmen des Baltikums erwecken Vater, Mutter und die beiden Töchter Jahrhunderte alte Melodien zum Leben und huldigen dabei sowohl dem Weiblichen als auch dem Göttlichen. „Variācijas“ ist das Debütalbum dieses Familienensembles, man kann nur sagen: Mehr davon! (Für die Jury: Suzanne Cords)
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Weltmusik |
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Mísia: Pura Vida (Banda Sonora). Galileo MC GMC086
Einen „seidenen, samtenen, wollenen, kleinen Fado“ wünscht sie sich – ausgerechnet in einem Lied, das musikalisch von Irving Berlins frivolem „Puttin’ on the Ritz“ inspiriert wurde. Aber klein und gemütlich geht es auf Mísias neuem Album weniger denn je zu. Portugals größte Fadista will „nicht irgendeinem Stamm oder Genre zugehören“, sie spannt ihre Flügel weit und landet nicht zuletzt im argentinischen Tango – eine hochdramatische Verbindung. Dass diese „Tonspur eines Lebens“ bei aller Vielfalt an Stilen und Instrumentierungen die Qualitäten eines Konzeptalbums hat, verdankt sich auch der großen Arrangierkunst von Fabrizio Romano, Mísias langjährigem Mitstreiter. (Für die Jury: Jürgen Frey)
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Traditionelle ethnische Musik |
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Kudsi Ergüner: La Mélancolie Royale. Méditation Soufie. Seyir Muzik 2GN009 (Galileo)
Der Klang der Schilfrohrflöte Ney wird im Orient mit dem Atem Gottes assoziiert. Ihr leiser, luftiger Ton und ihre klagenden Melodien wecken die Melancholie und versetzen etwa Sufi-Derwische in einen Zustand spiritueller Versenkung. Der türkische Virtuose Kudsi Ergüner stammt aus einer Familie, die seit vielen Generationen das Spiel auf der Ney pflegt. Sein Album „La mélancolie royale“ verzaubert mit intimen Klängen: zarten Linien, feinsten Nuancen in der Tongebung, winzigen Verzierungen und mikrotonalen Feinheiten. Dazu ein ruhiger Atem, lange Melodiebögen und Pausen, in denen die Zeit still steht. (Für die Jury: Tom Daun)
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Hörbuch |
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Giuseppe Tomasi di Lampedusa: Der Leopard. Thomas Loibl. 8 CDs, Osterwold audio ISBN 978-3-86952-429-0 (Hörbuch Hamburg)
Thomas Loibl beschwört in ruhigem Erzählton in „Der Leopard“ eine Welt des Umbruchs im neunzehnten Jahrhundert. Das schafft natürlich schon der Roman, ein Jahrhundertwerk von Giuseppe Tomasi di Lampedusa, der vor sechzig Jahren erschien und den Niedergang des Fürsten Salina stellvertretend für den Niedergang des „alten“ Italien in ein flirrendes Szenario platziert. Denn das „neue Italien“, das Italien Garibaldis, das um Einigung kämpft, bricht sich mit aller Gewalt seine Bahn – symbolisiert durch Tancredi, den Lieblingsneffen des Fürsten. Loibl trifft immer den richtigen Ton und das passende Tempo, wenn die Sonne Siziliens unerbittlich brennt oder der Fürst über Liebe, Höflichkeit und die Notwendigkeit des Wandels, der Erneuerung sinniert. (Für die Jury: Anja Reinhardt)
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Kinder- und Jugendaufnahmen |
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Dirk Kummer: Alles nur aus Zuckersand. Charly Hübner. 3 CDs, Silberfisch ISBN 978-3-7456-0123-7 (Hörbuch Hamburg)
Im Schatten der Berliner Mauer erleben Fred und sein bester Freund Jonas kleine und große Abenteuer, am liebsten heimlich, in den verlassenen Fabrikgebäuden in der Nähe der schwer bewachten Grenze. Als Jonas’ Mutter einen Ausreiseantrag stellt, besiegeln die Kinder ihre Blutsbruderschaft und beginnen, einen Tunnel durch den feinen Sand im Grenzgebiet zu graben. Regisseur Dirk Kummer, selbst in der DDR aufgewachsen, erzählt von der großen Freundschaft zweier Zehnjähriger und gibt zugleich Einblicke in den DDR-Alltag und in unterschiedliche Lebensentwürfe. Die Geschichte, zuerst 2017 verfilmt mit düsterem Ausgang, erzählt er nun mit einem Hoffnungsschimmer, ohne das Unrecht kleinzureden. Charlie Hübner liest das Hörbuch unaufgeregt, mit großer Ruhe. So werden die beiden Jungs überzeugend als Identifikationsfiguren, auch für heutige Kinder. (Für die Jury: Juliane Spatz)
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